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Ernährung:
Ohne Land keine Wirtschaft
Agrarwende, aber schnell!
Ausgelaugte Böden, pestizidbelastete Lebensmittel, nitratverseuchtes Grundwasser, Antibiotikaresistenzen, Artensterben — sind nur einige gute Gründe für eine schnelle Agrarwende.
Landwirtschaft und Ernährung beeinflussen in hohem Maße unsere Umwelt und unser Klima. Der ökologische Fußabdruck unserer Ernährungssysteme ist enorm — wir überschreiten planetare Grenzen und verbrauchen Rohstoffe, die zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei den biochemischen Kreisläufen haben wir, vor allem bei Stickstoff und Phosphat, bereits Kipppunkte erreicht. Der Überschuss an Phosphaten ist der Hauptgrund für das sogenannte Umkippen von Gewässern, bei denen Sauerstoffarmut einen Massentod von Tieren und Pflanzen zur
Folge hat.
Die intensive, auf Düngemittel und Pestizide angewiesene Form der Landwirtschaft trägt zur Zerstörung von Artenvielfalt und natürlichen Lebensräumen bei und befeuert massiv die Klimakrise. Fast ein Viertel der weltweit landwirtschaftlich genutzten Böden ist bereits geschädigt oder buchstäblich verwüstet. Auf Ackerflächen in Deutschland gehen im Durchschnitt pro Jahr und Hektar zehn Tonnen fruchtbarer Boden durch Erosion und Humusabbau verloren. Im weltweiten Durchschnitt sind es sogar 20 Tonnen.
Wenn der Ausstoß an Klimagasen ungebremst so weitergeht, wird in wenigen Jahrzehnten nicht mehr viel übrig sein von der Fläche, die landwirtschaftlich genutzt werden kann. Mindestens ein Drittel der Flächen wäre verloren, auf denen heute noch Nahrung angebaut und Viehzucht betrieben wird. Schon heute leiden weltweit 690 Millionen Menschen Hunger. Alle 3,6 Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger oder Mangelernährung. UNICEF will bis 2030 den Hunger auf der Welt beenden — dieses Ziel werden wir kolossal verfehlen, wenn wir nicht sofort gegen den Klimawandel aktiv werden. Wie viele Menschen werden sterben, wenn ein zusätzliches Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche verloren geht?
Das Problem liegt nicht an der erzeugten Menge der Lebensmittel, sondern an der extremen Ungleichverteilung. Denn während die Menschen im globalen Süden verhungern, sterben elf Millionen Menschen jedes Jahr an ungesunder Ernährung, hauptsächlich durch ein Zuviel an Salz, Fetten und Zucker. „Schlechte Ernährung ist für mehr Todesfälle verantwortlich als jeder andere Risikofaktor auf der Welt“, erklärt Christopher Murray von der Universität von Washington. „Nach unserer Einschätzung sind zu viel Salz und zu wenig Obst und Gemüse die größten Risikofaktoren.“ Die moderne Marktwirtschaft hat dazu geführt, dass Menschen einerseits an Hunger sterben, während in anderen Teilen der Welt so viel Überfluss an industriell gefertigten, ungesunden Lebensmitteln herrscht, dass Fettleibigkeit und Folgeerkrankungen von ungesunder Ernährung die häufigste Todesursache sind.
Etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel gehen nach Schätzungen weltweit jährlich verloren oder werden verschwendet. Jedes Jahr werden in Deutschland 356 Millionen Kilogramm Fleisch weggeworfen, das sind 45 Millionen Hühner, vier Millionen Schweine und 200.000 Rinder.
Klimaschutz durch weniger Fleischkonsum
Tierhaltung stößt mehr Treibhausgase aus als der globale Verkehr. Bei einer weltweit vegetarischen Ernährung könnte es sieben Millionen weniger Tote jährlich geben, die Sterberate in Industrienationen sänke um etwa sieben Prozent.
Zwei Drittel weniger Treibhausgase gelangten aus der Nahrungsmittelproduktion in die Atmosphäre und eine Landfläche so groß wie Afrika würde frei: 20 Milliarden Hühner, 1,5 Milliarden Kühe und je eine Milliarde Schafe und Schweine würden nicht mehr gebraucht. Dadurch würden 33 Millionen Quadratkilometer Land frei, auf denen die Tiere derzeit gehalten werden. Das entspräche ungefähr der Fläche Afrikas. Die Ackerfläche für den Futtermittelanbau ist hier noch nicht einmal mitgerechnet.
Weniger Nutztiere und mehr freie Landflächen helfen im Kampf gegen den Klimawandel. Zwar sind viele Gebiete so trocken, dass sie sich ohne menschliches Zutun in Wüsten verwandeln würden, aber in ihrer Summe könnten viele ehemalige Weideflächen wieder zu Wald werden — und der absorbiert sehr effektiv klimaschädliches CO2. Die Welt muss ihren Fleischkonsum drastisch reduzieren, wenn wir Klimaschutz ernst nehmen wollen.
Gesundes Kantinenessen, gutes Klima
Das größte Einsparpotenzial im Bereich Ernährung bieten Kantinen. Schätzungen zufolge zählen deutsche Kantinen insgesamt 2,24 Milliarden Besucher*innen jährlich. Die Umstellung auf Biolebensmittel, regionale Obst- und Gemüsesorten und überwiegend pflanzliche Kost ist ein wichtiger und notwendiger Schritt Richtung Klimaneutralität. Zugleich ist er unglaublich wirksam, da wir sofort mit der Umstellung anfangen können — anders als bei groß angelegten Infrastrukturmaßnahmen wie in der Energie- oder Bauwende. Wir könnten von heute auf morgen tonnenweise klimaschädliche Emissionen einsparen und die überfällige Agrarwende effektiv vorantreiben.
Nicht nur die Anpassung von Rezepturen, sondern auch die Vermeidung von Verpackungsmüll, die Zubereitungsart, Portionsgrößen und die Reduzierung von Lebensmittelabfällen bieten ein riesiges Potenzial, klimaschädliche Emissionen einzusparen. Die Umstellung von Kantinen findet in der Politik bislang wenig Beachtung, dabei essen die meisten Menschen überwiegend nicht zu Hause, sondern in Kitas, in Schulen, in Unimensen, in Seniorenheimen und auf der Arbeit. Von einem ausgewogenen, gesunden Speiseplan würden am Ende alle profitieren: die Unternehmen (weniger
krankheitsbedingte Ausfälle), die Biobauern, das Klima und nicht zuletzt die Menschen selbst. Im Jahr 2020 sind in Deutschland rund 80.000 Menschen an oder mit dem Corona-Virus gestorben. Zur gleichen Zeit starben rund 160.000 Menschen in Deutschland an den Folgen ungesunder Ernährung. Mit dem Verzicht auf die tägliche Verfügbarkeit von Schnitzel, Currywurst und Co. retten wir also nicht nur unseren Planeten, sondern auch uns selbst.
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