Mietshäuser Syndikat

Ein Dach überm Kopf für alle

„Selbstorganisiert wohnen - solidarisch wirtschaften! Mit diesen Worten begrüßt das Mietshäuser Syndikat die Besucherinnen und Besucher seiner Website. In Zeiten von Gentrifizierung, Mangel an günstigen Wohnungen und nicht zuletzt einer hohen Nachfrage nach Immobilien als (sichere) Geldanlage verspricht dieses Motto eine Alternative zum gewohnten Wohnungsmarkt.

Das Mietshäuser Syndikat ist zu Zeiten der Hausbesetzung in den 80er Jahren mit dem Ziel angetreten, Wohnungen und Häuser dauerhaft dem Immobilienmarkt und damit der Spekulation zu entziehen. In Wohnprojekten nach dem Mietshäuser Syndikat Modell werden Mieter ihre eigenen Vermieter und können in ihren Häusern unbefristet, günstig und selbstbestimmt wohnen. Das funktioniert so: Eine Hausprojektgruppe will eine Immobilie kaufen und wendet sich zwecks Unterstützung an das Mietshäuser Syndikat. Dieses berät bei der Umsetzung des Projektes und bei der Finanzierung. Darüberhinaus wird die eigens dafür gegründete Mietshäuser Syndikat GmbH einer von zwei Gesellschaftern der Hausbesitz GmbH, der andere ist der von den Projektmitgliedern gebildete Hausverein. Nur mit Zustimmung beider Gesellschafter kann die Immobilie verkauft werden - de facto also gar nicht.

Die GLS Bank kommt ins Spiel, wenn es um die Finanzierung des Hauskaufs geht. Rund 70 von derzeit 111 Mietshäuser Syndikat Hausprojekten hat die GLS Bank bisher finanziert. Wir sprachen mit Jochen Schmidt vom Mietshäuser Syndikat . Er ist seit Gründung des Vereins 1992 in Freiburg dabei.

Was hat sich in den über 20 Jahren des Bestehens verändert?
Anfangs war unser Modell eher etwas für Außenseiter. Dass wir so erfolgreich werden würden, war nicht abzusehen. Es war auch nicht geplant, dass wir über Baden-Württemberg oder gar über Deutschland hinaus aktiv werden. Früher hat der Name noch Leute abgeschreckt, heute gibt es weniger Berührungsängste. Neu ist, dass wir mittlerweile auch Projekte haben, die gar nicht dem Wohnen, sondern dem Arbeiten dienen, zum Beispiel den Handwerkerhof Ottensen in Hamburg. Bundesweit gibt es Anlaufstellen und eine wachsende Anzahl ehrenamtlich Aktiver. „Hauptamtlich“ gibt es unverändert einen Minijob.

Was sich nicht verändert hat: Selbstorganisiert und günstig Wohnen war in vielen Regionen schon immer schwierig. Wir verstehen uns auch als politisch arbeitende Gruppierung, die eine andere Verteilung von Geld und Wohnraum will. Das ist eine Aufgabe, die wir nicht alleine bewältigen können.

Das Mietshäuser Syndikat ist also so etwas wie eine Erfolgsgeschichte?
Ja, leider! Wenn die Wohnraumversorgung für alle zufriedenstellend wäre, würde es uns in dieser Form nicht geben.

Sind Syndikat -Mitglieder "bessere“ Menschen"?
Nein! Allerdings müssen Menschen, die Hausprojekte machen, sehr aktiv werden. Denn wir als Mietshäuser Syndikat verwalten nicht, wir kaufen nicht für andere und finanzieren nicht. Wir zeigen, wie es geht. Für die Aufnahme in den Mietshäuser Syndikat Verein muss das Projekt ein Objekt vorweisen und einen Finanzierungsplan erstellt haben, nach dem Kauf kommen Aus- und Umbau, verbunden mit einem mehr oder weniger hohen Anteil an Eigenleistung, danach folgen in der Regel die ehrenamtliche Hausverwaltung und Buchhaltung.

Ihre Mitglieder verpflichten sich zur Weitergabe ihres Know hows an junge Projekte. Funktioniert das?
Ja, das funktioniert. Wir haben rund 70 ehrenamtlich Tätige im Alter zwischen 20 und 70 Jahren. Der Zulauf ist gut. Es beraten nicht nur „alte“ „junge“ Projekte, das geht Querbeet, jeder, so wie er oder sie kann.

Was passiert mit den Mieten, wenn der Kredit abgezahlt ist?
Diesen Fall haben wir noch gar nicht. Hausprojekte sind langjährige Projekte. Gerade die ältesten Projekte haben noch gar nicht so viel abgezahlt, weil immer wieder neu investiert wurde und wird. Was man sagen kann ist, sobald ein Projekt sich selbst gekauft hat, bleibt die Miete stabil, auch in Lagen, in denen die Mieten hoch sind. In Berlin und Hamburg haben wir zum Beispiel 10 Jahre alte Projekte, bei denen die Miete die Hälfte der Miete der umliegenden Häuser beträgt.

Die Mieterinnen und Mieter eines Hausprojektes verpflichten sich, einen Solidarbeitrag an das Mietshäuser Syndikat zu zahlen, das damit seine Arbeit finanziert. Der Solidarbeitrag wächst mit der Mietdauer. Wird das auch mal in Frage gestellt?
Nein, bisher nicht. Denn es gibt die Möglichkeit, dass der Solidarbeitrag dann nicht erhöht wird, wenn die  die Miete 80 % einer ortsüblichen Miete übersteigt.

Bisher ist nur eines der Hausprojekt gescheitert. Was sind die Erfolgsfaktoren für das Gelingen?
Die sehe ich in der guten und intensiven Beratung, auch schon bevor das Projekt von unserer Mitgliederversammlung angenommen wird. Hier müssen übrigens alle Mitglieder mit Ja stimmen.*
Mit zunehmender Projektzahl steigt natürlich auch das Risiko des Scheiterns.
*Das Mietshäuser Syndikat hat zurzeit 650 Mitglieder.

Gibt es jetzt in der Niedrigzinsphase eine verstärkte Nachfrage beim Mietshäuser Syndikat ?
Die Niedrigzinsphase dauert ja schon einige Zeit. Sie erleichtert tatsächlich manches. Jetzt kann auch mal ein etwas teureres Haus gekauft werden, denn die Gesamtfinanzierung ist günstiger. Bei den Direktkrediten, die wir als Eigenkapitalersatz einwerben, spielt der Niedrigzins keine so große Rolle. Da steht von jeher der Solidaritätsgedanke im Vordergrund und nicht die Rendite. Natürlich soll niemand Geld verlieren, ein kleines bisschen mehr als der Inflationsausgleich sollte schon drin sein.

Seit vergangenem Jahr regelt das Kleinanlegerschutzgesetz  die Geldanlage von Privatpersonen auf dem sogenannten Grauen Geldmarkt. Es sieht für Anbieter von Vermögensanlagen, u.a. auch für Direktkredite, mehr Pflichten vor. Welche Auswirkung hat das Gesetz auf die Arbeit des Mietshäuser Syndikat?
Verbraucherschutz ist auch uns wichtig, aber in diesem Fall hatten wir den Eindruck, dass das Gesetz das nicht leisten würde. Deshalb waren wir sehr aktiv, um auf die endgültige Ausgestaltung einzuwirken.

Welche politischen Stellschrauben müssten noch gedreht werden, damit sich Mietshäuser Syndikat Projekte besser entwickeln können?
Wir wollen, dass die Förderrichtlinien des Sozialen Wohnungsbaus auf experimentelle Wohnformen und Wohnungen für Geflüchtete erweitert werden. In manchen Bundesländern werden leider nur Genossenschaften gefördert. Und die Kommunen könnten mehr Bauflächen für Syndikatsprojekte ausweisen, statt sie meistbietend zu verscherbeln.

Wie groß will das Mietshäuser Syndikat werden?
Wir freuen uns über jedes neue Projekt. Aber Wachstum ist anstrengend, dafür braucht es die passenden Strukturen und auch die Räume für unsere Mitgliederversammlungen. Wir wollen nicht um jeden Preis wachsen. Wichtig ist, dass wir weiterhin unsere basisdemokratischen Strukturen beibehalten können. Eine Option, weiteres Wachstum zu bewältigen wäre z. B., dass wir uns in mehrere Syndikate aufteilen.

Das Mietshäuser Syndikat ist schon sehr lange GLS Kunde. Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?
Der GLS Bank versteht unser Modell, wir müssen es nicht mit jedem Projekt neu erklären. Und die Bank ist vor allem in den Anfängen auch schon mal ungewöhnliche Wege mit unseren Projekten gegangen. Bei einer anderen Bank ist immer wieder Überzeugungsarbeit notwendig. Woanders werden Hausprojekte gar nicht von Banken finanziert wie in den Niederlanden. Dort hat die GLS Bank ein befreundetes Hausprojekt  einfach mitfinanziert.
Für die GLS Bank spricht allein die hohe Zahl der Mietshäuser Syndikat Projekte, die ihr Haus mit der GLS Bank finanzieren. Wir selbst empfehlen keine Bank. Das entscheidet jedes Projekt, also jeder Hausverein, selbst.

Was könnte die GLS Bank besser machen?
Aus Syndikatssicht wünsche ich mir, dass die Entscheidung zu finanzieren, schneller getroffen wird. Und manchmal lassen sich die Ansprüche der GLS Bank an Nachhaltigkeit, zum Beispiel an Energieeffizienzmaßnahmen, schwer mit den Zeitplänen von Projekten vereinbaren, die an erster Stelle kostengünstige Mieten gesetzt haben und Energiemaßnahmen erst später angehen möchten.

Fotos: Mietshäuser Syndikat

Stand: Juni 2016

 

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