Gender Lens Investing
Investitionen durch die Brille der Chancengleichheit sehen
von Martina Bahl, CFA, und Tien Nguyen
„Ich möchte mein Geld verantwortungsvoll und sinnvoll anlegen, natürlich gerne auch mit Ertrag. Und wenn es dann noch Frauen fördern würde, wäre das perfekt."
Das hört die Anlageberaterin Katrin Seifert in der GLS Filiale in Hamburg seit einiger Zeit häufiger. Damit sind ihre Kund*innen übrigens nicht allein. Das Interesse an Impact Investing und Gender Themen wird weltweit immer größer. Die gute Nachricht: Es ist möglich, denn nachhaltige Anlagen verbunden mit einem Kapitalertrag und einer positiven Wirkung können miteinander Hand in Hand gehen. Das wissen Kundinnen und Kunden der GLS Bank aus Erfahrung. Mithilfe der Lenkungseigenschaft der Kapitalanlage kann die Chancengleichheit für Frauen und Mädchen gezielt gefördert werden. Dieser Ansatz, der international immer mehr an Bedeutung gewinnt, nennt sich Gender Lens Investing.
Erfolg durch Vielfalt
Dabei ist finanzieller Erfolg sogar Teil des Konzepts. Wie Studien von McKinsey aus dem Jahr 2020 zeigen, sind Teams mit einer vielfältigen Zusammensetzung erfolgreicher als homogene Teams. Gleichzeitig sinkt das wirtschaftliche Risiko, Mitarbeiter*innen sind zufriedener und bleiben dem Unternehmen eher treu, Beziehungen zu Kund*innen verbessern sich, Gewinne steigen und sogar die Unfallhäufigkeit nimmt ab. Unternehmen mit divers besetzten Teams sind dadurch langfristig erfolgreicher als die immer noch traditionell besetzten, hauptsächlich männlich dominierten Firmen. Für Investor*innen eine gute Ausgangsposition.
Bewusstsein schaffen für echte Chancengleichheit
Finanzierungsangebote, die Frauen finanziell stärken, tragen dazu bei, Hunger, Kinderarmut, Gewalt und soziale Benachteiligung zu mildern. Damit das auch gelingt und glaubhaft umgesetzt werden kann, reicht es nicht, eine vermeintliche Gendergerechtigkeit nach außen zu tragen, indem man einige Führungspositionen mit Frauen besetzt, konservativ verankerten Strukturen jedoch nicht entschlossen entgegenwirkt.
Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der den Gender Lens Gedanken in den gesamten Investitionsprozess integriert. Es geht um echte Chancengleichheit und eine gleichberechtigte Kompetenzverteilung, die durch Investitionen geschaffen und gefördert wird. Warum wir selbst 120 Jahre nach Aufkommen der Frauenrechtsbewegung noch immer ganz offensichtliche Benachteiligungen von Frauen sehen, liegt vielfach an unbewussten Denk- und Verhaltensmustern.
Gender Lens Investing hat zum Ziel, diese zu erkennen und zu verändern. Das beginnt schon beim Investment Management und den internen Führungs- und Entscheidungsstrukturen. Hier werden schließlich die Grundlagen gelegt für Analysen, Algorithmen, Produktgestaltung und Anlageentscheidungen. Wird bereits dort die Chancengleichheit gelebt und können sich Frauen wie Männer gleichberechtigt auf Augenhöhe in die Arbeit einbringen, können Produkte entwickelt werden, die die Gender Lens nicht nur als solche deklariert, sondern auch ihrem Anspruch genügt.