29.11.2023

EU-Lieferkettenrichtlinie: Warum wir als Bank in die Pflicht genommen werden wollen

Die Verhandlungen über die europäische Lieferkettenrichtlinie („CSDDD“) befinden sich in der entscheidenden Phase. Es sieht derzeit so aus, als dass der Finanzsektor außen vor gelassen wird. Als Bank halten wir dagegen. Die Richtlinie könnte ein wichtiger Hebel für mehr Umweltschutz sein. Aber nur, wenn Finanzinstitute miteinbezogen werden. Ein Standpunkt.

Am 15. November einigte sich der Ministerrat der Europäischen Union darauf, dass der gesamte Finanzsektor aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu den Lieferketten auch “CSDDD” auszuschließen. CSDDD steht dabei für Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Ob Banken und Finanzdienstleister also nachhalten müssen, dass die von ihnen finanzierten Projekte klimaschädlich oder nachhaltig sind, soll erst bei der nächsten Überarbeitung der Richtlinie geprüft werden. So der aktuelle Stand.

Damit riskiert die EU erneut, eine eigentlich sinnvoll angedachte Regelung zu verwässern. Bereits ähnlich lief es bei der EU Taxonomie ab, wo letztlich Atomkraft und Gas die nachhaltige Wirkung zu Nichte gemacht haben. Das droht auch bei der Richtlinie für saubere Lieferketten.

Noch besteht die Chance, die Finanzierung von ausbeuterischen und umweltschädlichen Wirtschaftspraktiken zu beenden. Dazu müssen Banken und andere Finanzdienstleister lediglich in die Richtlinie mit aufgenommen werden.

Die GLS Bank appelliert daher eindringlich an alle Bürger*innen, Beteiligte und insbesondere die Bundesregierung sich für ein CSDDD unter Einbezug des Finanzsektors stark zu machen. Damit schließt sich die GLS Bank dem Thinktank climate & company und der NGO Germanwatch an, die erstmals auf das Thema aufmerksam gemacht haben. Ebenfalls für ein CSDDD mit Banken plädiert die UN PRI, die niederländische Rentenvereinigigung (NVB) sowie nachhaltige Investoren der Eurosif.

Was ist genau das europäische Lieferkettengesetz (CSDDD)?

Das CSDDD ist eine EU-Richtlinien. Sie muss erst in nationales Gesetz übertragen werden. Die Richtlinien sieht vor, Unternehmen künftig zu verpflichten Risiken in ihrer Wertschöpfungskette in Bezug auf Menschenrechte und Umweltbelange zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Betroffene Unternehmen müssten entsprechende Risiken erheben, analysieren und bei Bedarf heilen. 

Für Finanzdienstleister heißt das konkret: Sie müssten negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umweltbelange bei ihren Kreditnehmern identifizieren und laufend monitoren. Kreditnehmer, bei denen der Klimawandel als potenzielles Risiko identifiziert wurde, müssten Pläne vorlegen, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell mit den 1,5°C-Klimazielen vereinbar ist.

Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die negative Auswirkungen beibehalten, müssen gekündigt werden. Entscheidend hierbei ist: Die Richtlinie sieht vor, dass Banken bei einem Verstoß der Sorgfaltspflichten zivilrechtlich haften.

Warum wir als Bank für ein CSDDD sind

Banken spielen beim Übergang zu einer regenerativen Wirtschaftsweise eine zentrale Rolle. Mit unserer Kreditvergabe entscheiden wir, welche Projekte umgesetzt werden und welche nicht. Damit haben wir eine unmittelbare Verantwortung für Menschenrechts- und Umweltverstöße.

Aus Sicht der GLS Bank darf unternehmerische Verantwortung nicht länger von Wohlwollen abhängen. Sie muss auch für Unternehmen rechtlich verbindlich sein. Das CSDDD hat die Chance, dass die gesamte Branche sich intensiver mit den positiven und negativen Auswirkungen der Kreditvergabe beschäftigt. 

Argument 1: Europa wird zum Wirtschaftsstandort der Zukunft

Durch den CSDDD erhalten Banken einen Anreiz, nur zukunftsweisende Projekte zu finanzieren. Auch werden sie dazu angeregt Risiken, die aus Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entstehen, aus in ihren Portfolios zu minimieren. 

Damit ergibt sich für Europa die Chance, ausbeuterischen Wirtschaftspraktiken ein Ende zu setzen. Sie könnte zur Pionierin für eine sozial, wie ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise zu werden. Sollte die EU mit Hilfe der Lieferkettenrichtlinie die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise gelingen, würde es zum Vorbild für alle Industrienationen. 

Argument 2: Weniger Wettbewerbsverzerrung für deutsche und nachhaltige Unternehmen

Seit Januar 2023 haben wir bereits ein deutsches Lieferkettengesetz. Aktuell gilt es für Unternehmen ab 3000 Mitarbeitenden, ab Januar 2024 auch für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden. In diesem Jahr hat sich gezeigt, dass viele Großunternehmen wenig nachhaltig agieren. Umweltverbände hatten erstmals eine Rechtsgrundlage sie zur Rechenschaft zu ziehen.

Mit einem europaweiten CSDDD würde für deutsche Unternehmen mehr Chancengleichheit hergestellt werden. Damit würden europaweit die gleichen Pflichten gelten. Das verbessert den fairen Wettbewerb - vor allem für Unternehmen, die bereits heute nachhaltig agieren.

Was jetzt zu tun ist: Planbarkeit und Frist für den Finanzsektor

Aus unserer Sicht profitiert aktuell niemand von einer verschobenen Entscheidung über den Einbezug des Finanzsektors in das CSDDD.

Einige Banken argumentieren dagegen, weil sie administrative Mehrbelastung fürchten. Aus Sicht der GLS Bank darf das kein Argument gegen eine starke Regulierung sein. Hier hilft ein guter Zeitplan. Denn der Finanzsektor braucht ausreichend Vorlauf zur Umsetzung. Neue Sorgfaltspflichten erfordern den Aufbau administrativer und personeller Ressourcen, wobei der Fachkräftemangel die Herausforderung zusätzlich erschwert. Unser Vorschlag, wäre eine Frist von einem Jahr, um für eine rechtssichere Planbarkeit zu sorgen.