01.10.2008

Ursachen und Maßnahmen der Finanzmarktkrise

Bochum, 01.10.2008. Thomas Jorberg kommentiert die Ursachen und Maßnahmen der Finanzmarktkrise.

Es knirscht und ächzt im Gebälk des Finanzgebäudes. Die Maßlosigkeit der letzten Jahre fordert nun auch in Deutschland ihren Tribut. Gierige Investmentbanker, skrupellose Spekulanten und naive Banker haben in den letzten Jahren jegliche Bodenhaftung verloren. Den Akteuren am Finanzmarkt waren keine Grenzen gesetzt. Geschäfte in Milliardenhöhe wurden ohne realen Gegenwert getätigt, unvorstellbar große Summen täglich in einem virtuellen und weitverzweigten Netz hin- und hergeschoben. Die Verantwortung und die sehr realen Auswirkungen der Transaktionen waren damit leicht auszublenden.

Doch sind die hochriskanten Spekulationen nicht nur auf die persönliche Gier der Manager zurückzuführen. Auch für Privatanleger zählt oft nur die Rendite. Wie sonst ist es zu erklären, dass Anleger kurzfristigen Lockangeboten von Banken folgen, deren Einlagezinsen über den Kreditzinsen liegen? Wir leben in einer Gesellschaft der kollektiven Renditeorientierung, die das richtige Maß verloren hat.

Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass auch die Grenze der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Finanzsystems erreicht ist – die soziale und ökologische schon lange. Mit dem Zusammenbruch der Münchner Hypo Real Estate erreicht die Vertrauenskrise der Banken untereinander wie von Seiten der Anleger in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Die Rettung des Immobilienfinanzierers mit staatlicher und damit aus Steuergeldern finanzierter Hilfe kann das verspielte Vertrauen jedoch nicht wieder herstellen. Die tatsächlichen Ursachen des Problems liegen im System selbst. Mit dem Rettungspaket kann vielleicht kurzfristig Handlungsfähigkeit bewiesen, keinesfalls aber eine tragfähige, langfristige Lösung herbeigeführt werden. Diese muss mehr sein als eine Stabilisierung der Problemverursacher. Aus Furcht vor einem Kollaps des Finanzsystems wird die einfache marktwirtschaftliche Regel, dass schlecht wirtschaftende Unternehmen durch Konkurs aus dem Markt ausscheiden, außer Kraft gesetzt. Das Einspringen des Staates mag im Falle der Hypo Real Estate mit unkalkulierbaren Folgen zu rechtfertigen sein, zur Regel, auf die sich Finanzinstitute künftig verlassen können, darf dies aber keinesfalls werden.

Ein grundlegendes Umdenken ist dringend erforderlich. Nur ein verantwortungsvoller Umgang mit Geld kann langfristig die Grundlage für finanzielle und gesellschaftliche Gewinne bieten. Damit jedoch Finanzakteure wie private Anleger Verantwortung übernehmen können, bedarf es einer Transparenz der Geldanlagen. Hier könnten in der Tat staatliche Regulierungen gefragt sein. Eine Verpflichtung zur Angabe, unter welchen sozialen, ökologischen und sonstigen realwirtschaftlichen Kriterien die Gelder von Finanzunternehmen vergeben werden, könnte bereits viel bewirken. Zudem wäre eine Beschränkung von rein abstrakten, spekulativen Finanzprodukten ohne realwirtschaftlichen Bezug zu prüfen – und zwar weit über das kürzlich erlassene Verbot von ungedeckten Aktien-Leerkäufen hinaus. Solange das einzige Kriterium im Finanzmarkt die Rendite ist und nicht hinterfragt wird, womit sie erzielt wurde, bleibt die Risikokontrolle schwierig.

Für Finanzmärkte, die unter monetären wie ökologischen und sozialen Gesichtspunkten nachhaltig wirtschaften sollen, ist es unbedingt notwendig, dass Finanzunternehmen wieder ihrer einzig berechtigten Aufgabe nachkommen, nämlich realwirtschaftliche Vorgänge zu finanzieren und abzubilden. Nur durch eine grundsätzliche Veränderung der Anreizsysteme für alle Marktteilnehmer kann dieses Ziel erreicht und das Vertrauen wieder hergestellt werden. Andernfalls steuert der Markt schon bald auf die nächste Blase zu.