innatura

Sachspenden für soziale Zwecke

Was die einen auf den Müll werfen, könnten die anderen gut brauchen. Juliane Kronen bringt beide zusammen, zum Nutzen aller. Ein Geschäftsmodell, das so genial wie einfach scheint, in das sie aber viel harte Arbeit gesteckt hat und steckt.

Die frühere Unternehmensberaterin gründete 2011 die innatura gGmbH. Das Sozialunternehmen vermittelt zu viel produzierte Waren kostengünstig an gemeinnützige Organisationen. Seither finden fabrikneue Kosmetika, Waschpulver, Putzmittel, Bürobedarf, Spielzeug, Brillen, Kleidung, Bettwäsche und vieles mehr ihren Weg zu Menschen und Einrichtungen, die diese dringend benötigen. Mit dem eingesparten Geld können Therapie- und Beratungsstunden oder Heimplätze finanziert werden.

Zu schön um wahr zu sein
„Das Thema ‚Waren spenden statt wegwerfen‘ ist neu in Deutschland und wir müssen sowohl den Unternehmen als auch den gemeinnützigen Organisationen viel dazu erklären“, sagt Juliane Kronen. Immer wieder versichert sie den Unternehmen, dass ihre Marken geschützt bleiben und sie ihre Produkte nicht auf dem Schwarzmarkt wiederfinden. In einer sozialen Einrichtung wiederum braucht es häufig einen Vorstandsbeschluss, um mit innatura zusammenzuarbeiten. Oder es treten Befürchtungen auf, dass das Budget im Folgejahr um den eingesparten Betrag gekürzt wird. Oder aber innatura stößt auf Misstrauen, weil Sachspenden unweigerlich mit gebrauchten Kleidern assoziiert werden. „Die Entscheidungswege sind in der Regel lang“, weiß Juliane Kronen nach drei Jahren. Sie denkt gerne in Lösungen: „Wir nennen dann auch schon mal den konkreten Buchungssatz.“ Wenn allerdings die Beteiligten die Idee verstanden haben, erhält innatura „zu 99 Prozent sehr gutes Feedback.“

200.000 Flaschen Shampoo gaben 2009 den Anstoß für die innatura Gründung. Sie sollten auf den Müll. Ein Kollege fragte Juliane Kronen, zu der Zeit Unternehmensberaterin bei einer großen Consultingfirma und ehrenamtlich sehr engagiert, ob sie einen Abnehmer dafür hätte. Hatte sie nicht: zu viel Ware, kein Lagerplatz, zu wenig Zeit, Empfänger zu organisieren. Daraufhin ging sie das Problem in einem Pro-Bono-Projekt zusammen mit Kollegen betriebswirtschaftlich an. Jährlich werden in Deutschland intakte Waren und Markenprodukte im Wert von rund 7 Milliarden Euro in der Müllverbrennung oder auf Müllkippen entsorgt, durchschnittlich 2,5 Prozent der produzierten Konsumgüter, berechneten sie. Häufige Ursachen dafür, dass überhaupt überschüssige Ware anfällt, sind Sortimentswechsel, fehlerhafte Etikettierung, neues Design, Füllmengenfehler, oder – wie beim Kondom-Adventskalender, der innatura auch schon angeboten wurde - das absehbare Ende einer Sonderaktion. Ein Vorbild fand Juliane Kronen auch: Die Organisation „In Kind Direct“ von Prinz Charles. „Wir führten Gespräche mit Unternehmen und Empfängern, planten IT, Logistik und Finanzierung, spielten alles durch und hatten dazu die Aussicht auf Unterstützung durch ein Netzwerk mit Prinz Charles als Schirmherr“, erinnert sich Juliane Kronen. Das waren schon gute Voraussetzungen.“ Und dann litt sie darunter, weil die Lösung noch nicht umgesetzt war und jeden Tag Sachen auf den Müll wanderten. „Durch meine ehrenamtliche Arbeit für den Right Livelihood Award war ich sehr für das Thema Wegwerfen sensibilisiert. Ich hatte es in der Hand, etwas daran zu ändern, allerdings war klar, dass das nebenberuflich nicht geht.“ Sie entschied sich zu kündigen – und gründete. 2013 traf die erste Spende im Lager ein, das operative Geschäft begann. Seither hat die innatura gGmbH Waren im Wert von nahezu 5  Millionen Euro vor der Verbrennung gerettet und dem sozialen Sektor zukommen lassen.

Einfach erhalten, einfach spenden
Auf der innatura Website können sich anerkannte gemeinnützige Vereine und Organisationen kostenlos registrieren. Sie verpflichten sich, Spenden nur für ihre satzungsgemäßen Zwecke bzw. für ihre eigene Verwaltung zu nutzen. Aus dem Sortiment bestellen sie je nach Bedarf und zahlen eine Vermittlungsgebühr zwischen 5 und 20 % des niedrigsten Marktpreises sowie die Versandkosten. Mindestbestellmengen gibt es nicht. Die Waren werden innerhalb von drei Tagen zugestellt. Mit den Vermittlungsgebühren deckt innatura teilweise die Kosten für das Lager, für das Personal und die Verwaltung. „Auch wenn wir für das Finanzamt noch ein Start-up sind, das Verluste schreibt“, so Kronen „haben wir schon jetzt gelegentlich Monate, in denen wir positive Zahlen schreiben.“ Bisher sind rund 1.800 Organisationen registriert, rund 700 haben einmal oder mehrmals bestellt, darunter Mutter-Kind-Heime, Nichtsesshaften-Hilfe, Flüchtlingsinitiativen, Altenheime.

Auf Spenderseite stehen zurzeit 35 Unternehmen, darunter Beiersdorf, dm, Amazon, Staedtler und Procter&Gamble, aber auch kleine mittelständische Betriebe, die einmalig spenden. „Wir bieten den Unternehmen eine Alternative zur Entsorgung“, sagt Juliane Kronen. „mit der sie ihre Umweltziele erreichen und glaubhaft etwas Gutes tun können. Es ist ja nicht so, dass sie extra für den Müll produzieren.“

Spenden teurer als entsorgen?
Einen Wermutstropfen gibt es allerdings. Bisher müssen Unternehmen auf ihre gespendeten Waren Umsatzsteuer zahlen. Juliane Kronen ärgert das. „In Deutschland gibt es Überkapazitäten bei den Müllverbrennungsanlagen. Deshalb ist Spenden wegen der niedrigen Entsorgungskosten teurer als Entsorgen!“ Das will die innatura-Gründerin nicht hinnehmen. „Mit dem Steuerthema nerve ich jeden Politiker, den ich treffe.“ Offensichtlich mit Erfolg. Denn jetzt gibt es eine erste Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die besagt, dass als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung einer Sachspende der Wert zum Zeitpunkt der Spende zugrundegelegt wird. Und dieser gehe bei nicht mehr verkaufsfähigen Waren gegen Null, zum Beispiel bei Artikeln des Non-Food-Bereichs mit falscher Etikettierung oder unzureichender Befüllung. Zu dem Thema stehen bei Juliane Kronen schon weitere Termine mit Politikern an.

Noch mehr möglich
Überhaupt Finanzen: „Eigentlich sind wir eine klassische Konsortiallösung“, meint die Unternehmensberaterin. „Wir sind jetzt drei Jahre tätig, haben 650.000 Euro vorfinanziert, dem sozialen Sektor 4 Millionen Euro gespart und sind bald profitabel. Vom Business Case her müssten eigentlich ganz viele soziale Organisationen sagen, da investieren wir.“ In der Realität ist das allerdings nicht so. Deshalb ist Juliane Kronen für den letzten Finanzierungsabschnitt im Gespräch mit der GLS Bank. Mit dem Kredit soll vor allem eine integrierte IT-Lösung angeschafft werden, um Lagerhaltung, Buchhaltung und Online-Shop durchgängig zu automatisieren.

„Die Nachhaltigkeit und der Ansatz der GLS Bank, mit Geld etwas Gutes zu bewirken, das passt sehr gut zu uns“, findet Kronen. „Außerdem arbeitet die GLS Bank auch mit Unternehmen auf der potenziellen Empfängerseite zusammen.“ Hier sieht sie gleich weitere Entwicklungsmöglichkeiten: Die GLS Bank könne eine Plattform schaffen, damit Unternehmen und soziale Akteure mehr miteinander agieren können, z. B. durch günstige Rahmenverträge für Gemeinnützige, die Vermittlung von Zeitspenden oder bei der Finanzierung. „Da gibt es bestimmt ein sauberes, skalierbares Geschäftsmodell, bei dem man sich gegenseitig unter die Arme greifen kann.“

Die innatura Idee zieht Kreise. Spenden und Nachfrage nehmen kontinuierlich zu. Juliane Kronen spricht von Triple Win: „Die Unternehmen haben eine Alternative zur Entsorgung, die Empfänger erhalten dringend benötigte Waren und haben mehr Geld für ihre soziale Arbeit, die Umwelt profitiert auch.“ Unternehmensberater/innen erkennen die Schönheit des Geschäftsmodells.

Fotos: innatura (soweit nicht anders gekennzeichnet)

 

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